Russland, die USA und die europäische Meta-Historie

Russland, die USA und die europäische Meta-Historie

Der französischen Revolution von 1789 – dem wohl folgenreichsten, historischen Ereignis auf dem europäischen Kontinent – mangelte es ja sicherlich nicht an Werten, und ich würde vorschlagen, dass wir uns einmal ganz kurz zwei Begriffe aus dieser Epoche merken, also für diesen kleinen Aufsatz, nämlich zum einen den Begriff der “Freiheit” (Liberté) und zum zweiten dann den Begriff der “Gleichheit” (Égalité)

Für die gewaltsamen Veränderungen der damaligen ‘Machtverhältnisse’ kann man rückblickend drei Hauptursachen festmachen:
1.) Ein Klimaphänomen (“Die kleine Eiszeit) und in der Folge von Mißernten also den Brotpreis.
(Siehe auch : Die kleine Eiszeit, Punkt 6 bzw Philipp Blom ‘Die Welt aus den Angeln”

2.) eine Veränderung der ökonomischen Verhältnisse (“Bürgertum”)
und

3.) eine allumfassende metaphysische Krise,
ausgelöst durch ein banales Instrument
(Das Fernglas des Kopernikus)

Diese metaphysische Krise (der Religionen), um nun recht schnell zum eigentlichen Thema zu kommen, diese Krise übte auch in Deutschland dann einen gewissen Druck auf die vorherrschenden Machtverhältnisse aus (da die Kirche ja eine ganz konkrete gesellschaftliche Funktion erfüllte – nämlich die der “Legitimation der weltlichen Macht” (also des Adels, der Kaiser und der Könige)
jedenfalls fühlte sich die “Wissenschaft” der damailgen Zeit plötzlich genötigt, zu all diesen metaphysischen Fragen (für die zuvor eben die Religionen zuständig waren) Stellung zu beziehen
und in diesem Zusammenhang spricht man dann von der “kopernikanischen Wende in der Philosophie”
und wenn man das bei Google eingibt, dann landet man eben unter anderem bei Immanuel Kant, bei seiner ‘Kritik der reinen Vernunft’ und bei den vier Antinomien.

Den “Gotteszweifel”, den Kant damals in Welt brachte, den hat ein gewisser Heinrich Heine in seinem Werk “Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland” so wunderbar und lesenswert beschrieben, das ich das einfach mal ganz kurz so rüberkopiere:

“Man sagt, die Nachtgeister erschrecken, wenn sie das Schwert eines Scharfrichters erblicken – wie müssen sie erst erschrecken, wenn man ihnen Kants »Kritik der reinen Vernunft« entgegenhält! Dieses Buch ist das Schwert, womit der Deismus hingerichtet worden in Deutschland.

Ehrlich gestanden, Ihr Franzosen, in Vergleichung mit uns Deutschen seid Ihr zahm und moderant. Ihr habt höchstens einen König töten können, und dieser hatte schon den Kopf verloren, ehe Ihr köpftet. Und dabei mußtet Ihr so viel trommeln und schreien und mit den Füßen trampeln, daß es den ganzen Erdkreis erschütterte. Man erzeigt wirklich dem Maximilian Robespierre zu viel Ehre, wenn man ihn mit dem Immanuel Kant vergleicht. Maximilian Robespierre, der große Spießbürger von der Rue Saint – Honoré, bekam freilich seine Anfälle von Zerstörungswut, wenn es das Königstum galt, und er zuckte dann furchtbar genug in seiner regiziden Epilepsie; aber sobald vom höchsten Wesen die Rede war, wusch er sich den weißen Schaum wieder vom Munde und das Blut von den Händen, und zog seinen blauen Sonntagsrock an, mit den Spiegelknöpfen, und steckte noch obendrein einen Blumenstrauß vor seinem breiten Brustlatz.

Die Lebensgeschichte des Immanuel Kant ist schwer zu beschreiben. Denn er hatte weder Leben noch Geschichte. Er lebte ein mechanisch geordnetes, fast abstraktes Hagestolzenleben, in einem stillen abgelegenen Gäßchen zu Königsberg, einer alten Stadt an der nordöstlichen Grenze Deutschlands. Ich glaube nicht, daß die große Uhr der dortigen Kathedrale leidenschaftsloser und regelmäßiger ihr äußeres Tagewerk vollbrachte, wie ihr Landsmann Immanuel Kant. Aufstehn, Kaffeetrinken, Schreiben, Kollegienlesen, Essen, Spazierengehn, alles hatte seine bestimmte Zeit, und die Nachbarn wußten ganz genau, daß die Glocke halb vier sei, wenn Immanuel Kant, in seinem grauen Leibrock, das spanische Röhrchen in der Hand, aus seiner Haustüre trat, und nach der kleinen Lindenallee wandelte, die man seinetwegen noch jetzt den Philosophengang nennt. Achtmal spazierte er dort auf und ab, in jeder Jahrzeit, und wenn das Wetter trübe war oder die grauen Wolken einen Regen verkündigten, sah man seinen Diener, den alten Lampe, ängstlich besorgt hinter ihm drein wandeln, mit einem langen Regenschirm unter dem Arm, wie ein Bild der Vorsehung.

Sonderbarer Kontrast zwischen dem äußeren Leben des Mannes und seinen zerstörenden, weltzermalmenden Gedanken! Wahrlich, hätten die Bürger von Königsberg die ganze Bedeutung dieses Gedankens geahnt, sie würden vor jenem Manne eine weit grauenhaftere Scheu empfunden haben als vor einem Scharfrichter, vor einem Scharfrichter, der nur Menschen hinrichtet – aber die guten Leute sahen in ihm nichts anderes als einen Professor der Philosophie, und wenn er zur bestimmten Stunde vorbeiwandelte, grüßten sie freundlich, und richteten etwa nach ihm ihre Taschenuhr.

Wenn aber Immanuel Kant, dieser große Zerstörer im Reiche der Gedanken, an Terrorismus den Maximilian Robespierre weit übertraf, so hat er doch mit diesem manche Ähnlichkeiten, die zu einer Vergleichung beider Männer auffordern. Zunächst finden wir in beiden dieselbe unerbittliche, schneidende, poesielose, nüchterne Ehrlichkeit. Dann finden wir in beiden dasselbe Talent des Mißtrauens, nur daß es der eine gegen Gedanken ausübt und Kritik nennt, während der andere es gegen Menschen anwendet und republikanische Tugend betitelt. Im höchsten Grade jedoch zeigt sich in beiden der Typus des Spießbürgertums – die Natur hatte sie bestimmt Kaffee und Zucker zu wiegen, aber das Schicksal wollte, daß sie andere Dinge abwögen, und legte dem einen einen König und dem anderen einen Gott auf die Wagschale …..”

(H. Heine)

Nun ist es sicherlich auch heute noch recht angesagt, alle diese Fragen kontrovers in Religions- und Philosophieforen lebhaft zu diskutieren, ich sage ja immer, im gemeinsamen Hass auf Kunst und Kultur wachsen Ost und West zusammen (Sarkasmus) aber, Stichwort Ost- und West-Deutschland, man könnte sicherlich feststellen, dass die Mauer, die durch Deutschland ging, auch zwei grundlegende geistige Strömungen trennte – nämlich das Konzept der Freiheit auf der einen, und das Konzept der Gleichheit (Sozialsmus, Kommunismus, klassenlose Gesellschaft) auf der anderen (- und he, da sind sie ja wieder, also die beiden Begriffe aus der Einleitung)
und wenn wir nun also den russischen Militarismus seit dem letzten Weltkrieg verstehen wollen, der gerade an der Grenze zur (nun freien) Ukraine aufmarschiert, dann müssen wir natürlich auch immer bedenken, dass aus der russischen Perspektive natürlich aus dem europäischen Westen noch nie etwas gutes kam (Napoleon, Wehrmacht, Von der Leyen)

In der Folge Kants jedenfalls trennte sich in Deutschland die Philosophie dann in zwei-drei Hauptströmungen auf:
In den (historischen) Materialismus (Marx), in den deutschen Idealismus und, extremer Sonderfall, in die Metaphysik Nietzsches. (Manche ordnen ihn dem deutschen Idealismus zu, das greift aber natürlich viel zu kurz)

Nun ist der Marxismus sicherlich auch heute noch die weltweit erfolgreichste philosophische Strömung, is völlig klar,
obwohl ausgerechnet in Deutschland die politischen Protagonisten mit den Geschenken Chinas natürlich recht wenig anzufangen wissen (Der geschenkte Marx
– ich meine, das Problem der eklatanten intellektuellen Mittelmäßigkeit unserer “politischen Elite”, hier im Land der Richter und Henker, würde den Rahmen dieses kleinen Textes nun wohl wirklich sprengen…

Jedenfalls kann man abschließend festhalten, dass der Versuch Immanuel Kants “die metaphysischen Fragen” zu “objektivieren” (= Kann man den lieben Schöpfergott eigentlich wissenschaftlich beweisen?)
unmittelbar dann zu dem nächsten Versuch Marxens führte, also die “gesellschaftlichen Machtstrukturen” zu “objektivieren”
(= “der Sozialismus ist eine Wissenschaft”)
– mit all den ganz konkreten historischen Folgen des ganzen letzten Jahrhunderts (Restauration, die Machtergreifung Hitlers (als Folge einer grundlegenden Fehlinterpretation der Philosophie Nietzsches) Weltkrieg, Kalter Krieg – und eben:
Militariismus in Russland (und in China)