Kränkungen der Menschheit ist ein von Sigmund Freud im Jahr 1917 geprägter Begriff für umstürzende wissenschaftliche Entdeckungen, die, so Freuds These, das Selbstverständnis der Menschen in Form einer narzisstischen Kränkung in Frage gestellt haben. -> Wikipedia
Ich habe ja so einige Zeit im Jerusalem verbracht. Also im dortigen Wartezimmer. Dort, im Wartezimmer des Jerusalems. Und was habe ich nun vom Wartezimmer des Jerusalems zu berichten? Ich habe das Folgende zu berichten:
Im Wartezimmer des Jerusalem-Krankenhauses in Hamburg, also im Wartezimmer der onkologischen Station, dort hängen ein paar Aquarelle von Paul Klee an der Wand. Aquarelle aus der Afrika-Serie, Aquarelle also, die Paul Klee in Nord-Afrika malte.
Anscheinend hat sich also Irgendjemand offenbar Gedanken darüber gemacht, was für Kunstwerke (genauer: Was für Reproduktionen von Kunstwerken) man wohl in das Wartezimmer auf der Krebsstation im Jerusalem in Hamburg an die Wand hängen könnte, und die Wahl fiel im jerusalemKrankenhaus in Hamburg jedenfalls auf ‘Paul Klee’. Die allererste Mitteilung, die ich also in diesem Zusammenhang zu machen habe, ist die, dass ich persönlich der Meinung bin, dass Paul Klee eine sehr gute Wahl ist, also für das Wartezimmer für Angehörige auf der onkologischen Station, in Hamburg, im Jerusalem, die dort eben notgedrungen viel Zeit verbringen.
Und die zweite Mitteilung oder die nächste Erkenntnis, die nachfolgende Einsicht, die ich im Wartezimmer der Onkologie im Jerusalem in Hamburg jedenfalls gewann, ist diese: Irgendwann kommt der ‘Ernst des Lebens’ einmal bei Jedem vorbei und wenn der Ernst des Lebens vorbei kommt, dann kommen die allermeisten wohl so oder so dann eh bei der Kunst an und so ist das Thema meiner kleinen Erörterung zum Thema der freudschen Kränkungen eine grundlegende Frage, nämlich die, in was für einer Welt wir eigentlich leben wollen: In einer Welt, in der es eben Kunst gibt und dann Aquarelle von Paul Klee an der Wand hängen, oder in einer Welt der nackten kalten, leeren und stillosen Wände eines sibirischen oder syrischen Gefängnisses oder einer Folterkammer der Gestapo oder einer Isolationszelle in Bautzen. Ich erwähne diese Örtlichkeiten im Zusammenhang mit dem Thema dieses Threads, in dem es um Kränkungen der Menschheit geht, aber, so als grobes Muster für dieses ganze deutsche Forum immer völlig jenseits, außerhalb des gigantischen Waldes voller Bäume, die offensichtlich vor lauter Bäumen niemand sieht.
Für mich ist zum Beispiel die Frage, ob sich das Weltall um die Erde dreht, oder die Erde um die Sonne am Ende trivial. Mich kränkt die Entdeckung des Kopernikus nicht. Und zwar vorallem auch, weil ich es für wissenschaftlich bewiesen halte, dass der exakte Mittelpunkt des gesamten Universums sich zufälligerweise genau dort befindet, wo eben mein Sofa in meinem Künstler-Atelier steht. Etwaige wissenschaftliche Gegenbeweise nehme ich gerne wohlwollend zur Kenntnis…
Was mich trotzdem stört, das ist die Art und Weise, wie hier Auschwitz einfach nicht auftaucht. Als sei das kein Thema. Mich kränkt sowas. Stetig. Wobei ich ja an einem Bild zu Mauthausen male und zwar übrigens seit nunmehr ca 15 Jahren, es will halt einfach nicht fertig werden und hierzu ist zu sagen, dass Mauthausen durchaus meine Hitlist des Schreckens anführt und dabei sogar Auschwitz, die Rampe und den ganzen Rest noch toppt.
Nun mag es ja sein, dass es hier in Deutschland für Geschichten von Rampen oder der Architektur des Schreckens oder über AfrikaAquarelle vllt auch tatsächlich aufgrund der Übersättigung mit Dokus und Filmen einfach ‘keinen Markt’ mehr gibt, geschenkt, aber offensichtlich sieht man das in Polen oder im Russland der Militaristen oder vllt sogar in Israel, nicht zuletzt in Jerusalem bis heute doch ein wenig noch anders? Ich möchte natürlich keinesfalls nerven, aber (Stichwort: “Erinnerungskultur” im besten Agenda-SPD Land, das es jemals gab) eventuell ist deutsche Kultur ja gar nicht vordergründig für irgendeinen Markt der kleinen vorlauten CapoKönige im Inland der Wannabe-Kunden gedacht, sondern sehr viel eher für die Wartezimmer im Ausland? He, ich denke nur laut. Und wie schon eingans erwähnt, eventuell gibt es Erkenntnisse, die einen erst dann erreichen, wenn eben der Ernst des Lebens vor der eigenen Türe steht…